Im Grundsatz muss das Prinzip der Freiheit gelten: Forschungsfreiheit für die Unternehmen und Entscheidungsfreiheit für jeden Einzelnen. Unsere Bundesverfassung muss diese Freiheiten nicht „schützen“ sondern weiterhin „garantieren“. Ebenso dürfen diese verfassungsmässigen Garantieren nicht an eine Ethikkommission delegiert werden, wie dies der neue Verfassungsartikel vorsieht. Zwischen der Würde eines Menschen, seiner Persönlichkeit, seiner Gesundheit und der Forschungsfreiheit hat keine Kommission zu entscheiden. Vielmehr stehen der eigene Wille jedes Einzelnen und die Forschungsfreiheit der Unternehmen gleichwertig gegenüber.
Einerseits engen die im Verfassungsartikel aufgeführten Grundsätze die Forschungsfreiheit der Unternehmen massiv ein. Andererseits werden diese Grundsätze zum Spielball beliebiger Moralprediger, die gerne Wasser predigen und Wein trinken. Wie lässt sich denn das Verhältnis messen, wenn in der Bundesverfassung stehen soll: Die Risiken dürfen für die teilnehmenden Personen nicht in einem Missverhältnis zum Nutzen des Forschungsvorhabens stehen? Wird dieses Missverhältnis volkswirtschaftlich oder gar „finanziell“ festgestellt? Und gerade spätestens hier sind wir beim eigenständigen Willen jedes Einzelnen angekommen. Der Verfassungsartikel lässt nämlich die Möglichkeit zu, dass an urteilsunfähigen Personen ohne Einwilligung geforscht werden kann. Nun wer bestimmt, ab wann eine Person urteilsunfähig ist und nicht mehr selbst entscheiden kann, welche Risiken und Belastungen sie eingehen will? Lassen wir also dieses Experiment und sagen NEIN. Der Mensch ist kein Spielball.
Bern, 31.01.2010 Nationalrat Pirmin Schwander
Der Mensch ist kein Spielball |