Fluch oder Segen?

Ob Kerntechnik, Gentechnik, Protonentechnik oder Nanotechnik, der Mensch ist vom Fort­schritts­glauben gepackt. Wer nicht mitmacht, gilt als konservativ und Hinterbänkler. Unlängst so geschehen in der Frühjahrssession des Nationalrates, als es um das Humanforschungs­gesetz ging. Es ist unbestritten, die Forschung auf allen Gebieten hat dem Menschen Vor­teile gebracht, und für viele Kranke waren und sind die Forschungsergebnisse ein Segen. Die aktuellen Ereignisse um die Kerntechnik haben aber einmal mehr die Risiken der neuen Technologien ins Bewusstsein gerufen. Wie so oft in der Politik, wird aber nur gerade über jene Risiken diskutiert, welche durch eine Katastrophe wieder ins Bewusstsein dringen. So sind aktuell drei politische Strömungen festzustellen:

  1. Alle jene, welche sich über Jahrzehnte von der Kerntechnik nährten, stellen die Risiken der Kerntechnik als neu dar, wollen die Kernkraftwerke abschalten, aber erst im Jahr 2050. Dazu vorerst nur eine Bemerkung: Wenn die Risiken der Kerntechnik für die Energiege­winnung nicht im Griff und zu gross sind, dann müssen die Reaktoren abgeschaltet werden, und zwar heute und nicht erst morgen.
  1. Alle jene, welche mithalfen sämtliche Schleusen der Personenfreizügigkeit, des Freihan­dels, von Schen­gen, von Eurojust usw. kritiklos und ohne Vorbehalt zu öffnen und über Jahr­zehnte unter anderem die bessere Nutzung der Wasserkraft mit allen Mitteln verhinderten, fordern das sofortige Abschalten der Atomkraftwerke. Dazu vorerst nur eine Bemerkung: Wenn diese Forderung glaubhaft bleiben soll, dann müssen diese Kräfte auf die Umwelt­verbände so Einfluss nehmen, dass die jahrzehntelange Verhinderungspolitik ein Ende nimmt.
  1. Alle jene, welche sich über Jahrzehnte für die vermeintliche Sicherheit unseres Landes verantwortlich zeichneten, fordern nun ein Abwarten, Überprüfen der Sicherheitsstandards und verschicken Fragebogen an die Betreibergesellschaften zur Selbstdeklaration der Risi­ken. Dazu vorerst nur eine Bemerkung: Auf das Geschnatter von Experten, welche vor der Katastrophe nichts gesehen haben und danach alles erklären wollen, können wir verzichten.

Eine ernsthafte Diskussion über die technischen Risiken in unserer Gesellschaft führt unwei­gerlich zur Erkenntnis, dass gleichzeitig auch die wirtschaftlichen und politischen Risiken ein­be­zogen werden müs­sen. Eine eigenständige und sichere Landesversorgung mit Lebens­mit­teln und Energie setzt mindestens eine eigenständige Migrations-, Raumplanungs-, Ver­kehrs-, Finanz- und Steuerpolitik voraus. Und der grösste Fluch liegt nun darin, dass die drei politischen Strömungen nach wie vor behaupten, das eine hätte mit dem anderen nichts zu tun.

 

11. April 2011                                                            Dr. Pirmin Schwander, Nationalrat Lachen
 

Fluch oder Segen?