Revision Kartellgesetz – Mehr Kosten statt mehr Wettbewerb

Mit der bevorstehenden Revision des Kartellgesetzes will der Bundesrat „im Interesse einer liberalen Marktordnung den Wettbewerb in der Schweiz intensivieren.“ Bei näherer Be­trachtung setzt der Bundesrat die in der Bundesverfassung geforderte Missbrauchs­gesetz­ge­bung mit fadenscheiniger Begründung ausser Kraft, schränkt die für einen funktionierender Wettbewerb notwendige Privatautonomie und Ver­trags­freiheit unnötig ein, übernimmt im Ergebnis europäisches Recht und stellt die KMU unter Generalverdacht. Es gilt, von der Gesetzesrevision abzusehen und das heutige Recht konsequent durchzusetzen.

Verfassungswidrig

Mit dem Kartellgesetz sollen schädliche Auswirkungen von Kartellen und anderen Wett­bewerbs­beschränkungen verhindert und damit der Wettbewerb im Interesse einer freiheit­lichen marktwirtschaftlichen Ordnung gefördert werden. Die Bundesverfassung gibt in Artikel 96 klar vor, wie diese Ziele zu erreichen sind. Im Gegensatz zur Verbotsgesetzgebung in der EU geht unsere Bundesverfassung vom Missbrauchsansatz aus. Die Wettbewerbsbehörde hat zu kontrollieren, ob allfällige Absprachen unter den Wettbewerbsteilnehmern volkswirt­schaftlich oder sozial schädliche Auswirkungen haben. Dieser Ansatz untermauert die tägliche Realität auf den Märkten, dass mit allfälligen Absprachen und Kooperationen unter den Marktteilnehmern bessere Produkt- und Lieferqualität und tiefere Preise für die Kon­sumenten erreicht werden. Dieses Faktum stellt der Bundesrat denn auch nicht in Ab­rede. Er will aber ein Teilkartellverbot mit Rechtfertigungsmöglichkeit einführen und das Kartellgesetz damit im Ergebnis dem europäischen Recht angleichen. Artikel 96 Bundesverfassung sieht aber weder ein Kartellverbot noch ein Teilkartellverbot vor. Mit einem wirtschaftlich be­denk­lichen Konstrukt versucht nun der Bundesrat, die Verfassung auszuhebeln und ohne Änderung der Verfassungsgrundlage de facto das Kartellverbot nach europäischem Muster einzuführen. Aber verfassungswidrig ist und bleibt verfassungswidrig. Da helfen die lang­atmi­gen Aus­füh­rungen des Bundesrates nicht weiter, wenn er versucht, das „Verbot mit Erlau­bnis­­vor­behalt“ (EU – Lösung) als verfassungswidrig zu erklären, das neu vorgeschlagene „Teilkartellverbot mit Rechtfertigungsmöglichkeit“ aber nicht.

Unter Generalverdacht und Mehrkosten für die KMU

Der Bundesrat führt aus, dass es für die Wettbewerbsbehörden heute schwierig sei, die volks­wirtschaftlich und sozial schädlichen Auswirkungen von Absprachen festzustellen. Es lasse sich nur mit grösstem Aufwand und nur selten eindeutig feststellen, ob eine Abrede den Wettbewerb erheblich beeinträchtigt oder nicht. Wie bitte? Und nun soll deswegen ein Verbot von Absprachen eingeführt werden? Und der einzelne Unternehmer soll seine „Unschuld“ beweisen müssen? Wie soll denn ein Unternehmer im Voraus seine Verträge prüfen, ob sie dem Erfordernis der „wirtschaftlichen Effizienz“ (Artikel 5 neu Kartellgesetz) standhalten oder nicht? Die KMU würden mit dem neuen Gesetz gezwungen, erst gar keine Verträge mehr einzugehen. Es ist daher rechtsstaatlich nicht nur bedenklich sondern geradezu verwerflich, das offensichtliche Versagen der Wettbewerbsbehörden mit einer Gesetzeskorrektur zu vertuschen und diese obendrein mit der aktuellen Frankenstärke noch zu begründen. Die Absicht des Bundesrates, die ohnehin stark unter Kostendruck geratenen KMU mit der Beweislastumkehr zu belasten und damit nicht abschätzbare Kosten für die KMU zu generieren, ist im Interesse der Wirtschaft abzulehnen. Vielmehr gilt es das geltende Recht konsequent umzusetzen und eine verlässliche Praxis zu entwickeln.

22. Februar 2012                                       Nationalrat Dr. Pirmin Schwander, Lachen

 

Revision Kartellgesetz – Mehr Kosten statt mehr Wettbewerb