AUNS 28. ord. Mitgliederversammlung vom 27. April 2013

 

 

Politische Standortbestimmung
Die Beitrittsbeschleuniger Bilaterale I und II müssen weg!

Nationalrat Dr. Pirmin Schwander

Präsident der Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (AUNS)

 

Es gilt das gesprochene Wort.

Liebe AUNS-Mitglieder, Sympathisanten und Gönner
liebe Gäste, sehr geehrte Damen und Herren

Sie alle erinnern sich noch an den Auftritt unseres Aussenministers Didier Burkhalter letztes Jahr bei uns als er sagte (ich zitiere): „Wenn es nicht im Interesse der Schweiz ist, dann wird es auch nicht gemacht.“

Sinngemäss Gleiches verkündete kürzlich Yves Rossier, Staatssekretär im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA), am Fernsehen (ich zitiere): „Wir machen nur, was gut ist für die Schweiz.“

Das Problem solcher Ankündigungen ist nur:

  1. Wer entscheidet denn, was im Interesse der Schweiz liegt und was gut für das Land ist?
  1. Können denn die Interessen der Schweiz ohne Analysen und ohne expliziten Einbezug des Stimmvolkes vertreten werden.
  1. Und die entscheidende Frage ist: Hat denn der Bundesrat genügend Rückgrat, die Interessen der Schweiz auch gegen Widerstand von aussen zu vertreten.

Das Lavieren ist das eine, und das blamieren das andere. Ein Beispiel:

Am 19. März 2008 sagte Finanzminister Hans-Rudolf Merz im Nationalrat (ich zitiere):

„Jenen, die das schweizerische Bankgeheimnis angreifen, kann ich allerdings voraussagen: An diesem Bankgeheimnis werdet ihr euch die Zähne ausbeissen! Es steht nämlich nicht zur Disposition.“

Blamabel dabei ist: Diejenigen, welche das schweizerische Bankgeheimnis angegriffen haben, brauchten nicht einmal Zähne, so ganz nach dem Motto: Zahnlose greifen zahnlose an.

Und die Schweiz laviert und taumelt weiter. Denn bereits 11 Monate später übergibt die UBS auf Geheiss der eidgenössischen Finanzmarktaufsicht und mit Billigung des Bundesrates der US-Steuerbehörde 250 Kundendossiers. Und Sie wissen es alle, fast im Monatsrhythmus erreichen uns neue Hiobsbotschaften. Heute ist der automatische Informationsaustausch bereits in aller Munde.

Das ist nur eines von vielen Beispielen. Die Konzeptlosigkeit ist offenkundig. Der Bundesrat zögert und zaudert. Und wenn die Parteipolitik und die Eigenprofilierung der Bundesräte offensichtlich wichtiger sind als das Wohlergehen des Landes, dann kann das nicht gut gehen. Nicht die Wirtschaft ist in der Krise. Nein die Politik, die ist in der Krise.

Der Druck von aussen deckt die Schwächen und die Uneinigkeit unseres Bundesrates schonungslos auf. Offensichtlich ist sich der Bundesrat nur darin einig, dass er nicht einig ist. Anders kann ich mir nicht vorstellen, weshalb der Bundesrat lediglich reagiert statt agiert.

Der Fall „Bankkundengeheimnis ist ein Lehrstück dafür, wie brandgefährlich es sein kann, in einer direkten Demokratie aussenpolitische Beurteilungen unbedarften Effekthaschern zu überlassen. Mehr noch: Dieser Fall und andere Fälle zeigen, dass die Schweiz ein aussenpolitisches Kompetenzzentrum wie die AUNS braucht, um sich immer wieder auf die Grundlagen und Werte der Eidgenossenschaft für den Umgang mit andern Völkern zu besinnen. Es geht gemäss Verfassung darum, (ich zitiere) „die Rechte des Volkes und die Unabhängigkeit und Sicherheit des Landes zu schützen und zu wahren“ (Ende des Zitats).

Und eines kann ich Ihnen sagen, mit dem heutigen Bundesrat und dem heutigen Parlament können wir den zitierten Verfassungsauftrag nicht erfüllen. Zu viele Politiker sind damit beschäftigt, ihr Gesicht zu wahren, unangenehmen Entscheidungen auszuweichen und sich auf Nebenschauplätzen zu rechtfertigen. Diesem Trend hat die AUNS geschlossen entgegenzuwirken und die entscheidende Frage zu stellen:

Wann und wo endet der bilaterale Weg?

Wir werden nicht darum herum kommen, das heutige Vertragsgeflecht und die EU-Forderungen nach institutioneller Weiterentwicklung sorgfältig zu analysieren. Zu dieser Analyse gehört auch die Forderung nach der Kündigung der Bilateralen I und II, um nicht durch die Hintertür zu einer faktischen EU-Mitgliedschaft ohne Mitsprache unter der Fuchtel der EU-Rechtssprechung gezwungen zu werden.

Meine Damen und Herren: Der AUNS ist es ernst mit der Kündigung der Bilateralen I und II! Das EWR – Nein ist Nostalgie. Und nehmen wir zur Kenntnis: Die Bilateralen I und II gehen weiter als einst der EWR und sie kosten uns – das Volk – pro Jahr mindestens 15 Milliarden Franken. Ich habe Ihnen diese Kosten 2011 im Detail aufgezeigt. Und die einstigen EWR – Befürworter sind auf der Siegestour bald am Ziel, wenn wir uns nicht der Kündigungsfrage annehmen. Im Mittelpunkt stehen natürlich die Personenfreizügigkeit und Schengen/Dublin.

Wir stehen heute vor der Tatsache, dass die Bevölkerung die katastrophalen Erfahrungen mit der Personenfreizügigkeit sowie den Schengen- und Dublin-Abkommen immer weniger zu ertragen bereit ist. Dies, weil die ganze Volkswirtschaft, die Sozialversicherungen sowie der Arbeits- und Wohnungsmarkt und die öffentliche Sicherheit unter den „Nebenwirkungen“ leiden. Die am Mittwoch beschlossene Ventilklausel kommt erstens zu spät und zweitens ist sie ein untaugliches Mittel, die Zuwanderung wirksam zu steuern. Die Absicht des Bundesrates ist rasch erkennbar: Das Schweizer Stimmvolk soll beruhigt werden! Tief sitzt die Angst der EU-Turbos in Bern, die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger werden nein zur Erweiterung der Personenfreizügigkeit auf Kroatien, nein zu neuen bilateralen Verträgen und ja zur Ecopop-Initiative und ja zur SVP-Massenzuwan­de­rungs-Initiative sagen.

Warum diese Angst des Bundesrates? Führen wir uns immer vor die Augen, dass die EU-Befürworter die bilateralen Verhandlungen konzipiert und geführt haben. Ihr Ziel war und bleibt, die Schweiz über den bilateralen Weg in die EU zu führen. Wir werden deshalb auch genau prüfen müssen, welche „Trojaner“ mit den geplanten „Energie- und Dienstleistungsabkommen“ auf uns zukommen.

Behalten wir also die grossen Linie vor Augen und kommen zur Personenfreizügigkeit bzw. zu den Versprechungen der Befürworter:

In der Abstimmungsbroschüre vom 21. Mai 2000 schreibt der Bundesrat (ich zitiere):

Wie die Erfahrungen in der EU zeigen, sind die Ängste der Referendumskomitees, die Einwanderung aus EU-Staaten in die Schweiz werde stark zunehmen, nicht begründet: In Wirklichkeit sind die Wanderungsbewegungen innerhalb der EU gering. Unabhängige Studien kommen zum Schluss, dass negative Auswirkungen auf Arbeitsmarkt und Löhne ausbleiben.“ (Seite 11).

Und dann fünf Jahre später in der Abstimmungsbroschüre vom 25. September 2005 (ich zitiere):

„Die Erfahrungen der Schweiz mit der Freizügigkeit sind positiv. Die Zuwanderung hat in den letzten Jahren leicht abgenommen. Zudem hat sie sich verlagert: Es kommen mehr Zuwanderer aus EU-Staaten und weniger aus anderen Ländern und Kontinenten.“ – Dafür kommen von anderen Ländern mehr Asylbewerber?

Erfahrungen in der EU belegen, dass die Freizügigkeit nicht zu massiven Wanderungsbewegungen führt. Eine starke Zuwanderung aus den neuen EU-Staaten ist nicht zu erwarten.“ – Nun es sind aktuell ja nur etwa 45 000 pro Jahr, Stadt Thun oder einfach Bevölkerung Kanton Nidwalden oder fast der Kanton Appenzell AR.

Und nochmals gut drei Jahre später schreibt der Bundesrat in der Abstimmungsbroschüre vom 08. Februar 2009 (ich zitiere):

„Sechs Jahre Erfahrungen mit der Personenfreizügigkeit zeigen: Die verschiedentlich geäusserten Befürchtungen haben sich nicht bewahrheitet. So war die Angst vor zunehmender Kriminalität unbegründet. Seit Einführung der Personenfreizügigkeit ist die Ausländerkriminalität leicht zurückgegangen. Auch eine Zunahme von Sozialmissbrauch ist nicht festzustellen.“

„Die Personenfreizügigkeit trägt dazu bei, Arbeitsplätze in der Schweiz zu sichern. Ein offener Arbeitsmarkt verbessert die Chancen der einheimische Firmen im internationalen Wettbewerb, die Schweizer Wirtschaft wächst, und es werden neue Arbeitsplätze geschaffen.“

Wie Sie sehen, der Bundesrat plaudert einfach der EU nach oder stützt sich auf unbelegbare Studien. Oder die Studien sind Plagiate und niemand weiss woher die Resultate stammen. Manchmal habe ich das Gefühl, wir lebten in einem Land voller Plagiate. Und die Originale seien bald ausgestorben.

Natürlich nicht verwunderlich, wenn die Politiker nur noch auf ihre eigene Karriere schauen. Und der Karriereverlauf in der Schweiz ist bekannt:

Wenn Sie nur noch ausplaudern, werden Sie Parteipräsident. Wenn sie mitplaudern, dann werden Sie eines Tages vielleicht Regierungsrat. Und wenn Sie dann nur noch nachplaudern, dann sind Sie bereits Bundesrat.

Meine Damen und Herren: Wir lassen uns nicht mehr täuschen, weder durch den Bundesrat noch durch irgendwelche Plagiate. Schauen wir auch noch Schengen/Dublin an.

Es ist Tatsache:

Die Kriminalität nimmt laufend zu und das Asylwesen läuft aus dem Ruder.

Das kann heute nicht mehr bestritten werden. Bestritten wird aber immer noch, dass das Stimmvolk vor der Abstimmung über die Personenfreizügigkeit und Schengen/Dublin buchstäblich angelogen und getäuscht wurde. Schengen/Dublin hat uns mehr Souveränität, mehr Sicherheit, die Sicherung des Bankkundengeheimnisses und weniger Kosten im Asylbereich und vieles mehr garantiert, nicht „nur“ zugesichert.

Der Bundesrat stellt in der „Botschaft zur Genehmigung der sektoriellen Abkommen zwischen der Schweiz und der EG“ vom 23. Juni 1999 fest: „ … dass solche Verhandlungen für jene Bereiche nicht in Frage kommen, bei deren Regelung Souveränitätsübertragungen an supranationale Instanzen unerlässlich sind (Zollunion, Währundunion, Schengen, Aussenhandels- und Sicherheitspolitik) …“

Im Februar 2005 wird Bundesrat Deiss im St. Galler Tagblatt gefragt: „Mit dem Beitritt zu Schengen/Dublin verpflichtet sich die Schweiz, EU-Recht zu übernehmen. Ist das ein Souveränitätsverlust oder nicht?“ Herr Bundesrat Deiss gibt zur Antwort: „Nein. Wir treten gar nicht bei, wir assoziieren. Wir werden also nicht gezwungen, Änderungen des Schengener Systems zu übernehmen. Dennoch erhalten wir an den gemischten Ausschüssen eine Mitsprache. Als Nichtmitglied werden wir zwar nicht abstimmen dürfen. Aber die Erfahrung zeigt, dass die Entscheide in gegenseitigem Einvernehmen gefällt werden. Und falls etwas zu weit ginge, könnten wir immer noch aus der Kooperation aussteigen.“

Nur so eine nebensächliche Anschlussfrage: Haben wir die massiv höhere Kriminalität gar „in gegenseitigem Einvernehmen“ beschlossen?

Am 11. April 2005 sagt Frau Bundesrätin Micheline Calmy-Rey in Sarnen: „Falls durch die Weiterentwicklung des Schengen-Rechts einmal eine Verpflichtung zur Rechtshilfe bei Hinterziehung von direkten Steuern entstehen sollte, ist die Schweiz davon nicht betroffen. Für diesen Fall haben wir eine unbefristete Ausnahme, eine so genannte Opt-out-Klausel, ausgehandelt. Damit ist das Bankgeheimnis bei direkten Steuern durch Schengen auf Dauer vertraglich gesichert.“

Auch Herr Bundesrat Deiss garantiert und prophezeit in der NZZ vom 01. Dezember 2004: „Das Bankgeheimnis ist im Schengen-Abkommen vertraglich abgesichert, und zwar zeitlich unbefristet.“ Und in der Weltwoch vom 16. Mai 2005 doppelt Bundesrat Deiss nach: „ … dass wir im Kern das Bankgeheimnis völkerrechtlich verankert haben. Das ist ja das Fantastische.“ Fantastisch? Völkerrechtlich verankert? Wir haben gesehen: Mit Beschluss vom 13. März 2009 hat der Bundesrat das Bankkundengeheimnis in Steuersachen gegenüber dem Ausland gelockert bzw. zur Disposition gestellt und damit de facto aufgehoben, ohne Beschluss des Parlamentes, ohne Beschluss des Volkes.

Ebenfalls am 11. April 2005 sagt Frau Bundesrätin Micheline Calmy-Rey: „Die gesamten Mehrkosten von Schengen/Dublin, inklusive Anbindung ans SIS, dürften sich in den nächsten drei Jahren auf durchschnittlich rund 7 Millionen Schweizer Franken pro Jahr belaufen. Umgekehrt werden dank Dublin Ausgaben im Asylbereich vermieden. Insgesamt sind die Bilateralen II für den Bund budgetneutral.“ Wir wissen: Schengen kostet 5-mal mehr. Und seit 2005 haben sich die Asylgesuche verdreifacht.

Wie sind nun die bundesrätlichen Zitate zu Schengen/Dublin bzw. Fehleinschätzungen zu vesrtehen? Alles Plagiate, Täuschungen? Nein, die Urheber sind beim besten Willen nicht ausfindig zu machen. Es kann sich also höchstens um Selbstplagiate handeln. Oder wie es der damalige SP-Parteipräsident Hans-Jürg Fehr am 10. Februar 2005 in der WOZ unverschleiert sagte: „Für uns passt Schengen in unsere Strategie mit dem Ziel eines EU-Beitrittes. … Schengen ist qualitativ anders gelagert als alle anderen bilateralen Abkommen. Schengen betrifft einen Kernbereich der staatlichen Tätigkeit, und deswegen hat es auch eine andere Qualität bezüglich Öffnung.“ Und bereits Bundesrätin Micheline Calmy-Rey sagte am 14. April 2003 an ihrer Pressekonferenz „Hundert Tage im Amt“: „Indem wir die bilateralen Beziehungen zur Europäischen Union und allen jetzigen und künftigen Mitgliedstaaten intensivieren, können wir den Boden für den EU-Beitritt bereiten.“

Noch ein Bonmot zu unseren Plagiatoren:

Alles nicht so schlimm, sagt der eine Plagiator zum anderen. Hätte die Schweiz Schengen nicht übernommen, wäre die Kriminalität noch schlimmer als heute. Kapiert? – Nein, sagt der andere Plagiator, kopiert!

Die Entwicklungen in den letzten zehn Jahren und die Zitate sind Kronzeugen für die erwähn­te Hintertür-Taktik. Deswegen müssen wir alles daran setzen, dass die Bilateralen I und II gekündigt und mit einem neuen Freihandelsabkommen ersetzt werden.

Nur so können wir die Eigenständigkeit, die Selbstbestimmung, die Wettbewerbsfähigkeit, den Föderalismus und die Neutralität weiterhin garantieren.

Um dieses Kehrtwende zu erreichen, müssen wir uns anstrengen. Jeder einzelne von uns muss über die Bücher. Denn die Schweiz krankt nicht nur an Führungslosigkeit sondern auch an Prinzipienlosigkeit.

Wenn wir zwischen Freiheit und Sicherheit zu entscheiden haben, dann müssen wir Freiheit voranstellen. Wenn wir zwischen Freiheit und Demokratie zu entscheiden haben, dann müssen wir die Freiheit voranstellen. Wenn wir zwischen Freiheit und Rechtsstaat zu entscheiden haben, dann müssen wir die Freiheit voranstellen. Denn Demokratie und Rechtsstaat können nur unter freien Menschen entstehen.

Und jetzt kommt das Entscheidende. Wenn wir zwischen Freiheit und Wohlstand zu entscheiden haben, dann müssen wir die Freiheit voranstellen. Denn Wohlstand für alle entsteht in erster Linie in einer freiheitlichen Gesellschaft. Und hier kranken wir alle. In diesem Punkt wittern die EU-Befürworter die grosse Chance. Wer ist schon bereit, auf Wohlstand zu verzichten? Die Devise lautet: Doch lieber ein ganz bisschen weniger Freiheit, dafür der gleiche Wohlstand. Unsere Vorfahren hatten wesentlich weniger und mussten für die Freiheit kämpfen im Bewusstsein, dass die Freiheit zu mehr Wohlstand führt. Heute führen wir einen ungleichen Kampf: Wir wollen gleichzeitig Freiheit und Wohlstand verteidigen mit dem Risiko, beides zu verlieren.

Und hier liegt unsere Aufgabe. Jeder einzelne von uns hat als Vorbild voranzugehen und die Freiheit stets voranzustellen. Wir dürfen keine Manipulationen und Täuschungen aus Bundesbern mehr akzeptieren. Unsere Devise heisst: Eigenständigkeit und Selbstbestim­mung. Nein zu den Bilateralen I und II ist der erste Schritt hin zur uneingeschränkten Freiheit.

„Die Freiheit ist der Zement, der die Willensnation Schweiz verbindet.“

(unbekannt)

 

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