Am 08. Februar 2004 stimmte das Schweizer Volk der Verwahrungsinitiative mit über 56% JA-Stimmen überraschend zu. Dann kam der Aufschrei: Die Initiative verletze zwingendes Völkerrecht und könne deshalb nicht umgesetzt werden. Am 30. November 2008 nahm das Schweizer Volk die Volksinitiative „Für die Unverjährbarkeit pornografischer Straftaten an Kindern“ mit über 52% JA-Stimmen an. Dann kam der Kommentar: Die Initiative verletze zwingendes Völkerrecht bzw. die Europäische Menschenrechtskonvention und könne deshalb nicht umgesetzt werden. Am 29. November 2009 sagte das Schweizer Volk JA zum Minarettverbot mit über 57%. Bereits am Abstimmungssonntag hiess es: Das Minarettverbot verletze zwingendes Völkerrecht und könne deshalb so nicht umgesetzt werden. Die Wahrheit ist, dass Bundesrat und Parlament im Vorfeld einer Volksabstimmung genau überprüfen, ob eine Initiative zwingendes Völkerrecht verletzt oder nicht. Bei allen drei genannten Initiativen stand fest, dass das zwingende Völkerrecht nicht verletzt wird. Unbestrittenermassen zählen zum zwingenden Völkerrecht der Kern des humanitären Völkerrechts, das Gewaltverbot, das Aggressionsverbot, das Genozid- und das Folterverbot. Diese Bestimmungen des Völkerrechts sind denn auch in unserer Bundesverfassung verankert. Nicht weniger und nicht mehr. So zählt beispielsweise die Europäische Menschenrechtskonvention nicht zum zwingenden Völkerrecht (vgl. Botschaft zur heutigen Bundesverfassung). Die Europäische Menschenrechtskonvention ist ein Staatsvertrag und mit einer Frist von sechs Monaten kündbar. Dennoch wollen nach dem Minarettverbot einige Rechtsgelehrten, Publizisten und Mitläufer wider besseren Wissens der Bevölkerung weiss machen, das Verbot könne infolge Völkerrecht und Menschenrechten nicht durchgesetzt werden.
Was es nun heisst, Irrtümer und Irrlehren in unserer Gesellschaft aufzudecken, habe ich in den letzten Tagen einmal mehr erfahren müssen. Die Hasstiraden einiger Medien gegen meine Grussbotschaft anlässlich einer Parteiversammlung haben einige Unbekannte dazu bewogen, einmal mehr gegen Leib und Leben zu drohen. Dies bestätigt meine Beobachtungen in den letzten Jahren, dass die Wahrheit offensichtlich schwierig zu ertragen ist. Nichtsdestotrotz müssen Irrtümer aufgedeckt werden. Auch bei Irrtümern gilt immer mehr: Wer hat, dem wird gegeben. Umso mehr ist es unsere Aufgabe, den Aufruf, das Minarettverbot nicht umzusetzen oder gar gerichtlich aufzuheben, mit aller Deutlichkeit zu verurteilen. Nachdem ein solcher Aufruf nun wiederholt und vorsätzlich erfolgt, habe ich kein Verständnis für irgendwelche Verunglimpfungen des Stimmvolkes. Toleranz gegenüber Intoleranz ist Feigheit. Und gerade in der Adventszeit werde ich an den Philosophen Pascal erinnert. Nach ihm gibt es zwei Arten von Menschen: Die Gerechten, die sich für Sünder halten, und die Sünder, die sich für gerecht halten. Im Zusammenhang mit der Umsetzung der drei genannten Initiativen habe ich nun eine dritte Art von Menschen kennengelernt: Die sündigen Gerechten, die gerecht sündigen. – Ich wünsche allen eine lichtvolle Adventszeit.
10. Dezember 2009 Nationalrat Dr. Pirmin Schwander, Lachen
Wahrheit erzeugt Hass |