Nach Immobilien-, Banken-, Finanz-, Staats- und EURO-Krisen, massiver Zunahme der Kriminalität nach Schengen, ungelösten Verkehrsproblemen, Wildwuchs von Parallelgesellschaften usw. habe ich einmal erwartet, dass entsprechende Lehren gezogen werden und Probleme nicht nur in gutgemeinter eidgenössischer Manier einfach verschoben sondern gelöst werden. Nehmen wir das Problem des starken Frankens. Die Konsumentinnen und Konsumenten jammern seit Monaten über die zu hohen Preise und gehen ins grenznahe Ausland einkaufen. Die Exportindustrie und der Tourismus jammern über die zu hohen Kosten und drohen mit Arbeitsplatzabbau. Der Nationalrat hätte am Montag einen ersten Schritt machen und die Hotellerie auf ein Jahr befristet von der Mehrwertsteuer befreien können. Unfair, keine Wirkung, nicht verkraftbare Steuerausfälle waren die Gegenargumente und die Idee wurde begraben, und zwar von Ratsmitgliedern, welche vor ein paar Monaten noch 870 Millionen Franken im Giesskannenprinzip verteilten – wegen der Frankenstärke, aber komplett wirkungslos! Der Nationalrat hat damit die historische Chance verpasst, eine „befristete Steuersenkung“ einzuführen. Das Gegenteil – befristete Steuererhöhungen (Mehrwertsteuererhöhung für die IV, Einführung Bundessteuer usw.) – wird vom Parlament schon lange praktiziert. Nur wird die befristete Steuererhöhung jeweils unbefristet verlängert. Es wäre doch an der Zeit, auch befristete Steuererleichterungen einzuführen und unbefristet zu verlängern, im Interesse unserer kleinstrukturierten Wirtschaft und damit für die Erhaltung von Arbeitsplätzen in unserer Region. Es ist verständlich, wenn die Wirkung solcher Massnahmen unterschiedlich beurteilt wird. Es wäre meines Erachtens aber an der Zeit, neue Wege einzuschlagen und Probleme nicht einfach vor sich herzuschieben. Echt Mühe habe ich, wenn das Parlament den Mut nicht aufbringt, beispielsweise die Zwangsheirat mit Kindern ohne Wenn und Aber zu bekämpfen. Es ist in unserer Gesellschaft so selbstverständlich, dass die Eheleute bei der eigenen Trauung anwesend sind. Die persönliche Anwesenheit ist doch die erste Voraussetzung um feststellen zu können, ob beide, Mann und Frau, im freien Willen die Ehe eingehen wollen. Stellvertreterehen sind dem Schweizerischen Rechtsempfinden fremd und dürfen daher nicht anerkannt werden. Wenn wir überdies noch wissen, dass fast 30 Prozent der Zwangsehen minderjährige Mädchen betrifft und dass bei Zwangsehen jede dritte Frau mit Waffen und Mord bedroht wird, so wäre ein striktes Verbot von Stellvertreterehen nach gesundem Menschenverstand nachvollziehbar. Aber nein, der Nationalrat lässt weiterhin Schlupflöcher für Zwangs- und Stellvertreterehen mit Minderjährigen zu. Welches Mädchen, das unter Zwang und Morddrohungen die Ehe eingegangen ist, wird schon gegen Familienmitglieder klagen und die Auflösung der Ehe verlangen? Die Drohungen würden weitergehen und die Opfer gezwungen, die erzwungene Ehe schönzureden. Und wenn wir schon bei Drohungen sind, so muss auch noch das neue Steuerabkommen mit den USA erwähnt werden. Obwohl die USA das ergänzte Steuerabkommen vom 23. September 2009 noch nicht ratifiziert hat, lässt sich der Bundesrat und das Parlament weiter unter Druck setzen und lässt de facto alle amerikanische Bankkunden unter Generalverdacht stellen. Ohne hinreichenden Tatverdacht, ohne Namen und Adressen soll ab sofort Steueramtshilfe geleistet werden. Es herrscht die Meinung vor, es gehe einzig und allein um das Bankkundengeheimnis. In Tat und Wahrheit werden rechtsstaatliche Prinzipien weggeputzt. George Orwell wird Wirklichkeit. Staatliche Bespitzelung nimmt seinen Gang. Die DDR lässt grüssen. Der Bundesrat wird reingewaschen und die vielersehnte Wende wurde verpasst.
1. März 2012 Dr. Pirmin Schwander, Nationalrat Lachen
Wende verpasst |