Paukenschlag

Der Nationalrat ist mit einem Paukenschlag in die Frühjahrssession gestartet. Beim allerersten Geschäft folgte er dem Ständerat und erhöhte die Autobahnvignette von heute 40 Franken auf neu 100 Franken. Zweieinhalbmal mehr auf einen Schlag. Der Bundesrat begründet diese Erhöhung damit, dass der Bund 376 Kilometer Strassen von den Kantonen übernommen hat. Der Unterhalt und der Ausbau dieser Strassen sei nicht gratis. Und einmal mehr wird von links bis rechts argumentiert, die Erhöhung von 60 Franken sei nicht viel, lediglich ein Kaffee mit Gipfeli pro Monat. Nun, da ich seit zehn Jahren bei Steuer- und Abgabeerhöhungen immer die gleiche Leier höre, rufe ich einmal die Geschichte der Autobahnvignette in Erinnerung. Am 26. Februar 1984 hat das Schweizer Stimmvolk mit 53% JA-Stimmen der Einführung der Autobahnvignette zugestimmt (Die Kantone Schwyz, Freiburg und die welschen Kantone lehnten die Vignette überaus deutlich ab.). In der Abstimmungsvorlage 1984 steht: „Das Parlament möchte die Vignette wegen der schwierigen Finanzlage des Bundes. Nach seiner Auffassung ist diese Abgabe vertretbar, weil der Automobilist dank den Autobahnen erhebliche Betriebskosten und Zeit einsparen kann.“ In der Zwischenzeit stehen die Automobilisten im Stau und von Einsparungen der Betriebskosten kann auch keine Rede sein. Im Jahr 1984 betrugen die öffentlichen Abgaben pro Liter Treibstoff zwischen 25 (Benzin) und 30 (Diesel) Rappen. Aktuell liegt die Gesamtfiskalbelastung (Mineralölsteuer und Mehrwertsteuer) bei 86,424 Rappen pro Liter Benzin 95 und bei 91,459 Rappen pro Liter Diesel. Also auch hier haben wir schon mehr als eine Verdreifachung. Zu erwähnen ist auch, dass der Automobilist auf der Mineralölsteuer noch die Mehrwertsteuer bezahlt. Der Automobilist erduldet also viel und er darf die berechtigte Frage stellen, weshalb das Autobahnnetz trotz massiven Steuererhöhungen noch nicht fertig erstellt ist. Die Antwort aus Bern scheint einfach und logisch: Einsprachen und Beschwerden würden Projekte verzögern. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Während andere Verkehrsträger wie die Bahn jährlich von rund 5,2 Milliarden Franken aus der Staats- und Strassenkasse profitieren, wird der Strassenfonds zweckentfremdet und geplündert. Dies im völligen Widerspruch zur Abstimmungsvorlage 1984: „Die Schwerverkehrsabgabe und die Autobahn-Vignette sind auf zehn Jahre befristet und können vor Ablauf dieser Frist durch ein Gesetz wieder aufgehoben werden. Damit ist es möglich, das ganze Problem der Strassenbenützungsabgaben später definitiv mit der Gesamtverkehrskonzeption (GVK) zu regeln. Diese verlangt, dass die Benützer aller Verkehrsträger – nach Abgeltung der Leistungen, die der Allgemeinheit zugutekommen – ihre Kosten in der Regel decken.“ Unbestrittene Tatsache ist, dass der Strassenverkehr seine Kosten schon seit Jahren deckt. Nun wird die Autobahnvignette trotzdem auf 100 Franken erhöht, und bald soll auch der Mineralölsteuerzuschlag erhöht werden. Allein mit der Erhöhung der Mineralölsteuer seit 1984 verzichtet der Automobilist jährlich auf 135 Kaffee mit Gipfeli. In naher Zukunft soll der Verzicht auf 170 erhöht werden. Nun, als Nationalrat kann mir das ja egal sein. Meine Kolleginnen und Kollegen im National- und Ständerat haben mir die Nationalratsentschädigung seit 2003 zweimal erhöht (und zusätzlich einmal über die Fraktionsbeiträge!). Im Gegensatz zum Automobilisten muss ich also nicht auf 170 Kaffee mit Gipfeli verzichten. Ich könnte sogar täglich 4 Kaffee mit Gipfeli zusätzlich geniessen.

 

9. März 2013                                                     Nationalrat Dr. Pirmin Schwander, Lachen
 

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