Als es 2008/09 um die Rettung der UBS ging, lästerten die Chefs von kleineren und mittleren Banken mit verschmitzten Mundwinkeln gegen die damalige Führungsriege der UBS. Die Schadenfreude, dass die übermächtige UBS ins Schleudern geriet, war ihnen und auch vielen Politikern im wahrsten Sinne des Wortes ins Gesicht geschrieben. Eine verfrühte Schadenfreude, wie die aktuelle Entwicklung zeigt. Gleichzeitig hatten nämlich genau diese Lästerer in vollem Bewusstsein und mit offenen Armen die US-Kunden der UBS in den eigenen Schalterhallen pompös empfangen. Im Fernsehen und in Hochglanzzeitschriften protzten sie über ihr Wachstum und über ihren Erfolg, notabene mit US-Kunden! Und die Aufsichtsbehörde Finma hatte zwar jahrelang gewarnt aber nichts unternommen. Und nun soll der Nationalrat die Schweizer Gesetze ein Jahr lang ausser Kraft setzen? Ohne die Details zu kennen? NEIN. Dieses Nein des Nationalrates muss im Zusammenhang mit der wirtschafts- und finanzpolitischen Entwicklung der letzten zwanzig Jahren gesehen werden (nicht vollständig):
1991 Konkurs der Spar- und Leihkasse Thun
1991 Schweizerischer Bankverein führt erstes strukturiertes Produkt ein
1991 – 1996 ca. 180 Regionalbanken der Schweiz gehen unter, verschiedene Kantonalbanken
benötigen Unterstützung (AI, SO, BE, VD, GE)
1992 Höhepunkt der schweizerischen Immobilienkrise
1993 Übernahme der Schweizerischen Volksbank durch die Credit Suisse
1998 LTCM (Long Term Capital Management) erschüttert die Schweizerische Bankgesellschaft
1998 Fusion der Schweizerischen Bankgesellschaft mit dem Schweizerischen Bankverein
2001 Swissair-Grounding
2008 Finanzkrise
Und immer wieder wurde festgestellt: Dass Finanzmarktkrisen nicht rechtzeitig erkannt werden, liegt im „Mangel an kritischem Geist bei sämtlichen betroffenen Behörden“ (Zitat aus dem GPK-Bericht 2010). Bundesrat, Aufsichtsbehörden und die Schweizerische Nationalbank wollen Kantonalbanken und den kleineren Banken nicht helfen, wenn sie wegen ihrer US-Kundschaft existentiell bedrohliche Bussen bezahlen müssen. Sie seien nicht „systemrelevant“. Vorerst geht es zwar „nur“ um Eigenkapital und Liquidität, aber in einer zweiten Phase geht es um Kunden- und Spargelder. Und hier haben die über zwei Jahrzehnte schlafenden Behörden und Aufsichtsorgane die Verantwortung zu übernehmen. Und genau deswegen haben Parlamentarier Angst, Nein zu sagen. Aber dass im Extremfall die Kunden- und Spargelder so oder so (sowohl bei einem Nein wie auch bei einem Ja) gefährdet sind, will bis heute noch kein Politiker wahrhaben. Der Bundesrat hat auch für diesen Fall alle Vorbereitungen zu treffen. Er und nur er steht in der Verantwortung. Zu regieren nach dem Motto: „Ich überbringe, was mir überbracht worden ist“ reicht nicht mehr aus. Wer regieren will, muss die volle Verantwortung tragen und auch hinstehen, wenn es unangenehm wird!
18. Juni 2013 Nationalrat Dr. Pirmin Schwander
Verfrühte Schadenfreude |