geist- und alternativlos

In der letzten Sommersession hatte der Nationalrat noch die Kraft, den USA gegenüber Wider­­stand zu leisten und die Schweizer Gesetze nicht ein Jahr lang zu Gunsten der US-Steuerbehörden ausser Kraft zu setzen. Und in der Bevölkerung wurde der Mut des Natio­nalrates mehrheitlich positiv aufgenommen und fast überschwänglich gelobt. Nun stand am letzten Montag das Abkommen zur Umsetzung des US-Steuergesetzes FATCA (Foreign Account Tax Compliance Act) auf der Traktandenliste. Dieses, einmal mehr einseitig diktierte Abkommen geht wesentlich weiter als die Lex USA vom letzten Sommer. Es wurde von vie­len Fraktionssprechern als „unschöne Sache“ oder als „üble Sache“ bezeichnet. Wortwört­lich heisst es im amtlichen Bulletin: „Das Gesetz, über welches wir heute befinden, zeugt vom Bestreben der USA, ihren Einfluss auf alle anderen Länder auszudehnen, um ihre eigene Macht zu demonstrieren und ihre wirtschaftliche Dominanz aufrechtzuerhalten. Das Fatca-Abkommen ist nichts anderes als die Einführung des automatischen Informationsaustau­sches seitens der USA. Alle aus­län­dischen Finanzinstitute werden dazu gezwungen, dem amerikanischen Fiskus perio­disch und automatisch die Identität und die Vermögenswerte ihrer Kunden zu melden.“ Mit ande­ren Worten heisst das: Mit Fatca übernehmen wir Auflagen der US-Steuerbehörden auf Schweizer Boden. Wir akzeptieren überdies eine dynamische Rechtsentwicklung, so dass einseitig vorgenommene Änderungen der US-Steuerbehörde von der Schweiz über­nommen werden müssen. Und drittens gibt es für die Schweiz kein Gegenrecht. Besonders hervorzu­heben ist auch noch, dass das Fatca-Abkommen in den USA gar keine gesetzliche Grundlage hat. Damit setzt die USA weltweit etwas durch, was sie im eigenen Land gar nicht durchsetzen kann bzw. offenkundig nicht durchsetzen will. Die amerikanischen Banken freuen sich selbstverständlich für diesen weltweiten Vorteil!

Und dann fielen im Nationalrat noch folgende Worte: „Die USA überziehen die Welt mit einem imperialistischen Gesetz. Kaum jemand hier wird das anders beurteilen. Dass die Schweiz mitmacht, ist ein notwen­diges Übel, eine Alternative dazu besteht nicht. Eine Ablehnung des Abkommens oder des Gesetzes wäre nämlich mit massiven Nachteilen für den Schweizer Finanzplatz, aber auch für die gesamte Wirtschaft verbunden.“ Nach den grossen Worten im Sommer, den USA gegenüber die Stirn zu bieten, heisst es nun plötzlich: Wir haben keine Alternative. „Wir haben keine Alternative“ ist mittlerweilen zum Unwort des Jahrtausends geworden. Denn keine Alternative zu haben ist eine Kapitulationserklärung, ja geradezu eine Beleidigung an die menschliche Vernunft. Es ist ein Denkverbot, und das in einem Rechtsstaat und in einer Demokratie, über welche viele National- und Ständeräte am 01. August 2013 noch voll des Lobes waren. Einseitig und kleinlaut hat nach dem Ständerat auch der Nationalrat das Fatca-Abkommen durchge­wunken. Nach wortreichen Versuchen von Rechtfertigungen und nach wort­reichen Aufbäumen gegen Goliath versank eine Mehr­heit in der geist- und alternativ­losen Zustimmung.

Was mir besonders Sorge bereitet ist die Tatsache, dass wir mit dem Fatca-Abkommen rechtsstaatliche Prinzipien und unsere Eigenständigkeit zu Gunsten des scheinbaren Wohlstandes über Bord werfen. Wir opfern unsere Freiheit dem kurzfristigen Wohlstand, im Vergessen, dass Wohlstand für alle in erster Linie in einer freiheitlichen Gesellschaft entsteht. Und dies galt und gilt ganz besonders für die Schweiz. Einmal mehr ernten wir ohne zu säen.

 

13. September 2013                                                                   Nationalrat Dr. Pirmin Schwander
 

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