Hinter den Kulissen

Bundesrat und Parlament stehen nicht gerade im Ruf, überqualifiziert zu sein und die Entwicklungen der letzten Jahre mit Voraussicht und Improvisationsgabe meistern zu können. Kurzfristig werden zwar ausserordentliche Debatten angekündigt und es wird heftig und medienwirksam über Energiepolitik, Aussenpoltik und Europapolitik diskutiert, konkrete Taten aber folgen kaum. In der Finanz- und EURO-Krise werden Schulden mit Schulden ersetzt, in der Hoffnung, die Schulden müssten nie bezahlt werden. Es gibt offenbar bereits Schulbriefe mit einer Laufzeit bis 31.12.9999. In der Aussenpolitik führt sich die Schweiz als Grossmacht auf, mischt sich in alle Konflikte der Welt ein und verletzt damit laufend unsere bewährte Neutralitätspolitik. Das Resultat: Diktaturen werden mit Diktaturen ersetzt. Und was hat die ausserordentliche Energiedebatte gebracht? Kaum war der Atomausstieg besiegelt, zeigte der Bundesrat das wahre Gesicht: Umweltrisiken werden mit Umweltrisiken ersetzt.

Bei all diesen Diskussionen spüre ich immer wieder die grosse Frage nach dem richtigen Umgang mit dem Volk. Eine grosse Mehrheit des Schweizer Volkes will beispielsweise nicht in die EU. Also wollen auch Bundesrat und Parlament nicht in die EU. Das EU-Beitrittsgesuch soll aber nicht zurückgezogen werden und hinter den Kulissen wird tüchtig und Tag und Nacht am Rahmenabkommen mit der EU und an den Bilateralen III gearbeitet. Schliesslich sollen die EU-Gesetze automatisch übernommen werden. Der Weg über die direkte Demokratie ist für Bern zu mühsam geworden. Bei zu vielen Volksabstimmungen „leide die Qualität“, wird hochmütig argumentiert.

Für viele Bürgerinnen und Bürger werden die negativen Folgen von Schengen/Dublin und der Personenfreizügigkeit immer mehr ersichtlich. Sie können von Bundesrat und Parlament nicht mehr so einfach unter den Tisch gewischt werden. Eine Kündigung und Neuverhandlungen kommen aber nicht in Frage. Das „gute“ Verhältnis mit der EU darf schliesslich nicht gestört werden. Hinter den Kulissen wird daran gearbeitet, wie die Schweizer Unternehmen noch mehr kontrolliert und schikaniert werden können. Denn nach Bundesrat und Parlament haben nicht Schengen/Dublin und die Personenfreizügigkeit die heutige Situation verursacht. Nach offizieller Darstellung „missbrauchen“ und „unterwandern“ die Unternehmen die Personenfreizügigkeit. Der Bundesrat verkauft den bilateralen Weg mit der EU nach wie vor als Erfolgsmodell, will die negativen Folgen nicht tragen und sucht nun krampfhaft nach Sündenböcken. Das EU-Konstrukt wird nicht in Zweifel gezogen, selbst wenn die EU nicht davor zurückschreckt, laufend die eigenen Regeln und Verträge zu brechen. „Wir haben keine Alternative“, heisst die bundesrätliche Devise. Neudeutsch: Tina- Prinzip: There is no alternative. Oder im Klartext: Eigenes Denken wird verbannt.

Eine Mehrheit des Schweizer Volkes hat die Verwahrungsinitiative, das Minarett-Verbot und die Ausschaffungsinitiative angenommen. Insbesondere auch im Kanton Schwyz. Die Umsetzung wurde und wird nur halbherzig in Angriff genommen. Immer wieder werden das Völkerrecht und die Europäische Menschenrechtskonvention ins Spiel gebracht. Hinter den Kulissen wird mit Hochdruck an der Einführung der Verfassungsgerichtsbarkeit gearbeitet. Die Richter sollen sagen, was gut und was schlecht ist. Volksentscheide sollen überprüft und notfalls durch das Verfassungsgericht aufgehoben werden. Vorteil: In diesem Jahr kommt das neue Verfassungsgericht noch nicht. Wir haben Wahljahr. Da werden direkte Demokratie, Föderalismus und Rechtsstaat noch bejubelt.

 

17. Juni 2011                                    Nationalrat Dr. Pirmin Schwander, Lachen
 

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